Pressemitteilung zur Situation wohnungsloser Menschen im Übergangswohnheim Hubertusstraße

Dresden, den 23.08.2019

„Solidarität statt Ausgrenzung“

Seit Montag solidarisieren wir – die Supportgruppe „Solidarität statt Ausgrenzung“ uns mit den von der Zwangsumsiedlung betroffenen wohnungslosen Menschen aus dem Übergangswohnheim Hubertusstraße in das „Zur Wetterwarte“. Wir setzen uns dafür ein, dass die wohnungslosen Menschen eigenständig entscheiden können, wo sie wohnen und wie sie untergebracht werden.

Die Stadt Dresden hat in Klotzsche, am Stadtrand von Dresden, zwischen Flughafen und Industriegebiet vor kurzem ein neues Übergangswohnheim „Zur „Wetterwarte“ eröffnet. Nach Angaben des Sozialamtes wurden in umfangreichen Abstimmungsprozessen die neuen Bewohner*innen ausgewählt, die dorthin umziehen sollen. Angeblich wurden dabei auch individuelle Bedürfnisse mit beachtet. Laut Sozialamtsleiterin Dr. Susanne Cordts „… werden einige Wohnungslose, die derzeit noch im Heim in der Hubertusstraße wohnen, nach und nach in geeignete Einrichtungen umziehen. Diese Wohnungslosen benötigen spezifische Hilfen, die wir ihnen in der Hubertusstraße nicht bieten können.“ Laut Pressemitteilung der Stadt Dresden werden die Umzüge gemeinsam mit Sozialarbeiter*innen vorbereitet. Weiterhin steht in der Presseerklärung, dass in jedem Fall dabei individuell die Passgenauigkeit der Betreuungs- und Unterbringungsform geklärt wird. In mehrfachen Gesprächen mit Mitarbeitern des Sozialamtes wurde den Bewohner*innen und uns zugesichert, dass es sich um freiwillige Umzüge handelt. Am Dienstag betonte die Sozialbürgermeisterin Dr. Kris Kaufmann (Die Linke) bei einem Gespräch vor Ort aber, dass dies kein „Wunschkonzert“ sei.

Die Bewohner*innen wurden im Vorfeld angeblich in Gesprächen intensiv und individuell auf den Umzug vorbereitet. Ein Bewohner schildert das Zustandekommen wie folgt:

„Ich wurde am 09. August 2019 gegen 8.45 Uhr aus meinem Bett geholt und mir wurde gesagt, dass es gleich ein Gespräch mit dem Sozialamt geben wird. Ich wurde vorher weder per Brief noch persönlich auf dieses Gespräch vorbereitet noch wusste ich, um was es bei diesem Gespräch gehen wird. Ich war eher verängstigt. Bei diesem Gespräch habe ich auch mehrfach klar geäußert, dass ich nicht umziehen möchte.“

In einem folgenden Schreiben des Sozialamtes wurde der  Bewohner dennoch über den kommenden Umzug informiert, inklusive konkreten Termin und Uhrzeit, zu dem sich der Bewohner mit gepackten Sachen umzugsbereit einzufinden habe. Wir gehen davon aus, dass das Sozialamt bei den anderen Bewohner*innen ähnlich agiert hat. Auch wurde den Bewohner*innen nicht einmal ein konkreter Termin zur Besichtigung der neuen Unterkunft angeboten, für mobilitätseingeschränkte Personen beispielsweise mit Unterstützung durch die Stadt Dresden. Viele Bewohner*innen in der Hubertusstraße können nur noch kurze Wege selbstständig gehen oder sind auf Rollatoren oder einen Rollstuhl angewiesen.

Die Bewohner*innen des Hauses schilderten uns, dass dieses Vorgehen bei ihnen nicht das Gefühl eines gut vorbereiteten, frei entscheidbaren Umzuges in eine neue, bessere Unterkunft erzeugt hat. Eher fühlten sich einige Bewohner*innen seitens des Sozialamtes enorm unter Druck gesetzt und der Verwaltung ausgeliefert. Eine direkte Folge der anstehenden Umzüge und der daraus folgenden Verunsicherung und Resignation einiger Bewohner*innen ist ein gestiegener Alkoholkonsum.

Wir halten dieses Vorgehen für desaströs. Es hinterlässt den Eindruck, dass hier Menschen als Verwaltungsakt behandelt werden und nicht als Menschen mit individuellen Bedürfnissen.

In den Gesprächen zwischen uns und einigen Bewohner*innen wurde klar, dass sie nicht umziehen wollen. Als Gründe geben sie an, dass zum Übergangswohnheim in Klotzsche keine vernünftige ÖPNV-Anbindung besteht, die Haltestelle befindet sich etwa 500 m entfernt und ist derzeit noch nicht barrierefrei ausgebaut. Der von der DVB bereit gestellte Fahrdienst ist nur von 9 bis 18 verfügbar. Eine Teilhabe am städtischen Leben ist nicht mehr ohne großen Zeitaufwand oder für
einige auch gar nicht mehr möglich. Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung vor Ort fehlen. Bereits bestehende soziale Kontakte im jetzigen Übergangswohnheim oder auch zu Freund*innen und Bekannten vor Ort werden zerstört. Viele Bewohner*innen haben beispielsweise ihren Hausarzt im Umfeld des Übergangswohnheimes „Hubertusstraße“. Des weiteren befindet sich der nächstgelegene Supermarkt etwa 1,7 km entfernt vom Übergangswohnheim. Schlussendlich ist die Rampe vor der neuen Unterkunft aus Metall, das heißt bei schlechtem Wetter, Regen, Schnee, Eis für manche Bewohner*innen mit Rollatoren oder Rollstuhl nicht nutzbar.

Eine Unterbringung, abgelegen am Stadtrand ist für ein selbstbestimmtes Leben oder einen Integrationsprozess in die Gesellschaft nicht förderlich. Bei uns entsteht eher der Eindruck, dass Menschen aus dem Stadtbild entfernt und unsichtbar gemacht werden (sollen), die nicht in unsere Leistungsgesellschaft passen. Soziale Ausgrenzung ist aus unserer Sicht die falsche Herangehensweise mit Menschen mit individuellen Problemen umzugehen. Warum dieser Umstand bei der Planung der neuen Unterkunft nicht bedacht wurde, ist uns schleierhaft.

Am Mittwoch und Freitag zogen bereits einige Bewohner freiwillig in die neue Unterkunft. Freiwillige Umzüge sind für uns in Ordnung.
Wir fordern aber, dass sich kein Mensch durch Druck, wie auch immer dieser erzeugt wird, gezwungen sieht, den Vorstellungen des Sozialamtes nachzukommen und unfreiwillig in eine andere Unterkunft zu ziehen.

Weiterhin fordern wir, dass der Umzugsprozess ausgesetzt wird, bis das neue Übergangswohnheim an die Bedürfnisse angepasst ist. Auf Grund der Lage am Stadtrand und in einem Industriegebiet soll das Übergangswohnheim „Zur Wetterwarte“ grundsätzlich nur eine Übergangslösung sein.

Abschließend fordern Bewohner*innen in der Hubertusstraße und wir die Einberufung eines Rates der Wohnungslosen, in dem sich auf Augenhöhe und gleichberechtigt Wohnungslose, das Sozialamt sowie weitere Unterstützer*innen begegnen und sprechen können.

Am Dienstag, den 27.08.2019 um 17 Uhr treffen sich Betroffene und Unterstützer*innen im Malobeo, Kamenzer Straße 38, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Alle Menschen sind herzlich dazu eingeladen.

Kontakt: SuporrtG_solidaritaet_statt_ausgrenzung@gmx.de

 

 

 

 

 

 

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