Vor einigen Wochen feierte die gesamte westliche Welt Weihnachten, ein Fest, welches vielen heilig ist, einige aber auch stresst. Mit einer in den Himmel schießenden Konsumbereitschaft in diesen Tagen ist es einfach zu glauben, dass Kapitalist*innen Weihnachten erfunden haben nur um dir Geschenke für Freunde und Familie zu verkaufen. Neben dem Aspekt des Konsums ist Weihnachten jedoch immer noch ein streng religiöses Fest mit Hunderten von Millionen Anhängern.
Wir wollen mit diesem Text die Thematik der Religionskritik anschneiden und beschäftigen uns hier mit anarchistischen Herangehensweisen an Religion und Glauben im Allgemeinen. Erwähnenswert ist, dass wir in diesem Text nicht nur über das Christentum sprechen werden, sondern auch über den Islam und das Judentum, welche die drei größten und einflussreichsten Religionen der „westlichen“ Welt sind.
Ist Gott konservativ?
Darüber ist nicht viel bekannt. Das Wesen hat nie mit jemandem über seine*ihre politischen Ansichten geredet.
Was wir jedoch wissen ist, dass religiöse Institutionen in den meisten Fällen konservativ sind und sich oftmals auf die Seite der rückschrittlichsten Bewegungen stellen. Beispiele dafür finden sich in verschiedenen Teilen der Erde zu verschiedenen Zeitpunkten, angefangen mit dem faschistischen Spanien unter Franco bis hin zu einer Militärdiktatur in Südafrika. In diesen Fällen verbündeten sich die Geistlichen mit den reaktionären Kräften der Gesellschaft um progressive, soziale Bewegungen zu zerschlagen und trugen dazu bei deren Befürworter*innen strafrechtlich zu verfolgen. Die Rolle der Kirche ist gut dokumentiert worden, diese Aufzeichnungen können überall im Internet und auch in Printmedien gefunden werden.
Wegen der starken Unterstützung des Staates durch die Kirchen stellen sich Anarchistinnen seit jeher gegen „göttliche“ Institutionen. Anarchistinnen versuchten auf intellektueller Ebene Alternativen zu Theorien der organisierten Religion zu formulieren, die darauf hinweisen, dass der Glaube an Gott sehr wenig damit zu tun hat, dass Menschen aus dem Glauben an ein „höheres Wesen“ persönliche Vorteile, in Form von Machtpositionen, ziehen.
Trotz dessen sich die die kirchlichen Institutionen in manchen autoritären Staaten auch mit der progressiven Seite der Gesellschaft verbündeten, war das Streben nach einer mächtigen Position im Staat immer treibende Kraft in diesen Kämpfen, und keine moralische Entscheidung. Das beste Beispiel dafür ist der Widerstand der Kirche gegen den Staat in vielen Teilen des Ostblocks, wo die Kirche als feindliches Element in der Ideologie des sozialistischen Staates galt.
Die Verfolgungen änderten wenig daran, dass religiöse Gruppen innerhalb der Gesellschaft um Macht kämpfen und versuchen ihren Einfluss darauf aufzubauen, dass sie vermeintlich wissen, was Gott will.
So einfach lässt sich Geld verdienen!
Heutzutage wie auch schon in der Vergangenheit sind religiöse Institutionen nicht diejenigen, denen es an Geld mangelt. Es begann mit dem Verkauf von „Vergebung“ an die, die im Mittelalter gesündigt haben und endet nun in modernen Produktionsstrukturen, die eine hohe Einkommensquelle darstellen.
2016 hatten allein die religiösen Institutionen der USA zusammen ein Budget gleich der 15. stärksten Wirtschaftskraft der Welt. Dieses Budget beinhaltet nicht nur Spenden, sondern auch verschiedene Betriebe, Seminare und so weiter, organisiert unter unterschiedlichen religiösen Deckmänteln.
Im „weltlichen“ deutschen Staat sind religiöse Institutionen die einzigen, die, abgesehen vom Staat, Steuergelder erhalten. Manchmal ist Konformität sehr fragwürdig – immerhin ist es genug für deine Eltern um für dich die Entscheidung zu treffen Teil irgendeiner Kirche zu sein.
Wenn du also immer noch glaubst, es geht um den Glauben an Gott und deine moralischen Werte, schau dir die Summe der Profite an und denk nochmal darüber nach. Warum soll der Gottesdienst so viel Geld anhäufen und was zur Hölle hat das mit dem ewigen Leben nach dem Tod zu tun?
Du darfst glauben, aber lass daraus keine Religion werden!
Eine der Alternativen, für die sich Anarchist*innen aussprechen ist die Zerstörung religiöser Institutionen, wobei aber der Glaube an Gott erhalten werden kann. Gemeint ist damit, dass du zwar an Gott glauben kannst, aber dein Glaube nichts mit den von Menschen geschaffenen Institutionen zu tun hat. Somit befürwortet selbst diese gemäßigte Position die komplette Zerstörung aller unterdrückenden Einrichtungen.
Heilige Texte werden als etwas von eigener Wahrnehmung geprägtes betrachtet und nicht als eine zusammengefasste, allgemeingültige Deutung dieses oder jenes Teils des Buches.
Zur gleichen Zeit gab es in verschiedenen religiösen Strömungen bekannte Anarchist*innen, die sich für die Freiheit des Einzelnen unter den Regeln Gottes aussprachen.
“No gods no masters”
Eine weiter verbreitete Position unter Anarchist*innen ist der komplette Schritt zum Atheismus, ohne irgendeinen Platz für Kirchen oder individuellen Glauben zu lassen. In einer Welt der Gleichberechtigung gibt es keinen Platz für eine höhere Autorität, die entscheidet wer gut und wer schlecht ist.
In der Welt in der Gott existiert ist es das A und O für Menschen Gott zu stürzen und den Himmel zu übernehmen. Es liegt an unserer Gesellschaft durch Diskussionen, allgemeine, moralische Prinzipien und Logik zu entscheiden, was zulässig ist und was nicht. Als dass das alles von einem „Superwesen“ bestimmt wird, welches seinen eigenen „erhabenen Plan“ für alle von uns hat.
Folglich werden wir die Engel weg schubsen und den Himmel auf die Erde bringen. Wir wollen nicht an der Pforte zum Himmel von einem Tribunal auf individueller Ebene beurteilt werden, da wir eine Gesellschaft sind und viel kompliziertere Regeln haben als die individuelle Verantwortung für bestimmte Verhaltensweisen.
Die Welt über Gott hinaus zu verstehen heißt auch eine Welt zu verstehen, in der du gewisse Dinge nicht machst, nicht weil du Angst hast bestraft oder in die Hölle geschickt zu werden, sondern weil deine eigenen Prinzipien es dir verbieten eben diese Dinge zu tun. Als Beispiel lässt sich hier das Recht auf Leben erwähnen, dass für viele Anarchist*innen zu den wesentlichen Rechten gehört, die dir niemand anderes wegnehmen kann. Das heißt, dass du nicht töten sollst, nicht weil du sonst bestraft wirst, sondern weil du damit das Recht auf Leben eines anderer Lebewesens verletzt.
Es gibt im Anarchismus kein „Recht auf Leben“ – sondern die Freie Vereinbarung, die dieses „Recht“ des Bürgertums in die Hände von freien Verträgen und freien Bünden legt. Die Dinge laufen im Anarchismus etwas anders, deshalb nennt man es ja Anarchismus und nicht Zehn Gebote oder Bürgerliches Gesetzbuch oder Menschenrechte.
Natürlich hätten das manche gerne: „Recht der Lebewesen auf Leben“ – hört sich stark nach politischem Veganismus an… aber eben nicht nach Anarchismus in dem das Zwischenmenschliche selbstständig geregelt wird. Ohne Staat und Gesetzbuch.
Dadurch unterscheidet sich der Anarchismus/Föderalismus ja gerade von der politischen Religion/Zentralismus.
Ich vermisse hier die grundlegenden Begriffe, die durch Rudolf Rocker gerade für die Auseinandersetzung mit der Religion und ihrer Rolle in der Geschichte ausgearbeitet wurden. Ich dachte immer, Anarchisten würden miteinander kooperieren und aufeinander aufbauen, um nicht geistig auf der Stelle zu treten… dieses Bild stellt der Artikel in Frage.
Dem Artikel fehlt es an Entschlossenheit: Mal dieses, mal jenes – und an tiefen Überlegungen, an Originalität.