Vom 23. bis 27. Oktober 2019 finden in Berlin wieder die Anti-Knast-Tage statt. Aber was heißt schon Knast? Was heißt Anti-Knast-Arbeit?
Knast ist sichtbarer brutaler Ausdruck einer Gesellschaft, die unfähig ist, die von ihr verursachten Probleme zu lösen. Sei es das Problem des Privateigentums (und damit das Begehren nach „Fremdeigentum“), das Ungleichheit schafft. Sei es die vielfach verbreitete ablehnende Haltung, dass durch herrschende Verhältnisse unweigerlich hervorgerufen wird. Sprich, es gilt der Logik zu widersprechen, dass gesellschaftliche Konflikte nicht außerhalb der herrschenden Gesellschaft gelöst werden können.
Das bedeutet, dass jegliche Gesellschaftsform, die am Grundprinzip Knast festhält, abzulehnen und zu bekämpfen ist. Der Knast kann nicht als bürgerliche Struktur kritisiert werden, über deren Gestaltung kein Einfluss ausgeübt werden kann, sondern muss grundsätzlich – radikal – kritisiert werden. Das heißt, wir wollen keine eigenen Knäste, in die hinein wir unsere politischen Gegner*innen oder die Aussortierten stecken. Wir wollen auch keine reformierten Unterbringungsanstalten.
Knast zu kritisieren und abzulehnen bedeutet vor allem die heutige Gesellschaft zu analysieren die ihn produziert. Das heißt, eine Welt in der alle Menschen gezwungen sind zu arbeiten um nicht zu verhungern, eine Welt in der einige Menschen immer mehr Wert haben werden als andere, eine Welt in der Frauen immer Männer gegenüber eine untergeordnete Rolle spielen. Am Ende ist daher der Knast immer die Kehrseite der sogenannten „Freiheit“. Hast du Schulden, hast keinen Job, hast du den falschen (oder keinen) Pass, hast dich an deinem Ehemann gerächt weil dieser dich verprügelt hat, dann steht der Knast immer am Ende der Realität.
Der Knast ist vor allem ein Ventil um die Armen in Schach zu halten. Denn vor allem sitzen hauptsächlich die Armen im Knast.
In dieser Gesellschaft basieren alle menschlichen Beziehungen auf Autorität, Macht, Herrschaft und Ausbeutung. Ob von der Schule bis zur Fabrik, von den Pfadfindern zur Armee, von der Familie bis zur Sekte. Der Knast ist nur eine weitere Stufe.
Wichtig scheint es vielen offenbar zu sein, dass das Trennende aufrechterhalten wird. Sei es die Trennung zwischen politischen und sozialen Gefangenen oder aber (anhand der bürgerlichen Kategorie Kriminalität) zwischen „Kriminellen“ und politischen Gefangenen. Übersehen wird dabei (wissentlich oder unwissentlich), dass die eigene Verwendung des Kriminalitätsbegriffs dem Festhalten an bürgerliche Rechtskategorien dient. Schlussendlich dient also diese Trennung der Aufrechterhaltung der Individualisierung gesellschaftlicher Probleme und damit der fortbestehenden Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Scheinbar benötigen wir also mehr Räume, innerhalb derer wir uns austauschen können, um alte Analysen der Knastgesellschaft zu überprüfen und möglicherweise neue entwickeln.
So sehr wir ähnliche Projekte, die in den letzten Jahren entstanden sind, begrüßen, vermissen wir innerhalb dieser die Verbindungslinien, die zum kapitalistischen Gesamtsystem gezogen werden müssen, damit die Kritik und der Kampf gegen Knast und Herrschaft allgemein wirken kann.
Solche Kämpfe, wie der gegen Knäste, bringen zu oft die Figur der Expert*innen hervor, professionelle Verwalter*innen des sozialen Friedens. Solange sie bestehen, kann der Kampf gegen Knäste sowie gegen die Gesellschaft, die sie braucht, sich nicht autonom und kollektiv entwickeln.
Das Problem von Kämpfen und Kritiken, welche zum Beispiel durch vermeintliche Expert*innen fremdbestimmt werden, betrifft nicht nur den Kampf gegen Knäste. Seit den 70er Jahren kann beobachtet werden, wie sich die staatliche Soziale Arbeit in radikale Kämpfe einschleicht. Die Hierarchien, die sich in dieser Lohnarbeit finden (zum Betreuer*in und Patient*in) finden wir leider auch in antagonistischen* Kämpfen. Dass die Unterdrückten der Gesellschaft aber ihre Kritik und Kämpfe selbst formulieren und ausdrücken können, scheinen viele Priviligiertere zu missachten. In unserem Fall wären es die Gefangenen, welche sich durch einen gemeinsamen Kampf und Ausdruck selbst befreien – und nicht irgendwelche Strafvollzugsexpert*innen oder Anwält*innen. Damit dieser Ansatz aber überhaupt funktionieren kann, brauchen die Gefangenen für die Selbstorganisierung einen Raum. Nicht über sie sollte gesprochen werden, sondern mit ihnen.
Was heißt also Knast? Weggesperrtsein? Sind auch Heime, Lager, Psychiatrien/Forensik, Schulen und Lohnarbeit gemeint, wenn über Knast gesprochen wird?
Ist nicht die Disziplinierung der Gesellschaft das bindende Glied, das sich überall und ständig reproduziert? Dass Geflüchtete auf ihren Wegen nach Europa eingesperrt wurden bzw. ihr Ankommen mit Knast/ Lager beginnt (oder endet), kommt in den meisten Betrachtungsweisen über Knast gar nicht vor.
Wieviel hat das mit unserem Verständnis mit Knast zu tun bzw. mit der gesellschaftlichen Position der meisten Anti-Knast-Gruppen? Und darüber hinaus mit allen sozial-revolutionären Gruppen!
Es gibt viel zu reden, noch mehr zu diskutieren – aber vor allem zu tun. Wir sind (meistens) keine Wortverliebten, die diskutieren der Diskussion willen. Wir erhoffen uns Rückschlüsse, Impulse für unsere Praxis und, für unsere Ideen, eine Überprüfung durch die Praxis.
Wir sehen uns im Oktober 2019!