Über den Antifaschismus und seine Verwirrung

Als Anarchist hätte ich eine Menge über Antifaschismus zu sagen, hauptsächlich würde ich ihn kritisieren. Ich schreibe diesen Text nicht als theoretische Kritik am Antifaschismus, obwohl ich zuerst auf den Fehler (für mich) hinweisen möchte, dass sich nur auf eine Sache konzentriert wird. Ich denke, dass Antirassismus und Feminismus allein auch ein Fehler sind. Warum, würdest du fragen. Weil wir uns als Anarchistinnen dessen bewusst sind, dass die Welt viel komplexer funktioniert als ein einfacher und leichter manichäischer Anmerkung der Redaktion: Der Manichäismus war eine stark vom Gedankengut der Gnosis beeinflusste Offenbarungsreligion der Spätantike und des frühen Mittelalters. Er verlangte von seinen Anhängern Askese und ein Bemühen um die Reinheit, die als Voraussetzung für die angestrebte Erlösung galt. Blick auf sie oder auf die Gesellschaft. Es gibt nur „Monster“ und gute Menschen. Faschismus ist nicht das Böse, was von ungefähr kommt, sondern das Ergebnis der Gesellschaft gegen die Anarchistinnen seit dem 19. Jahrhundert kämpfen. Und auch schon vor dem offiziellen europäischen Faschismus war die Welt kein Paradies; Rassismus existierte, es gab Progrome, Frauen* wurde schlecht behandelt, Kinder arbeiteten in Minen, Genozid war schon ein Teil der menschlichen Geschichte, Arbeiterinnen starben aufgrund der schrecklichen Ausbeutung und Anarchistinnen wurden verfolgt, zum Tode verurteilt oder wurden in Strafkolonien auf pazifischen Inseln oder in Südamerika gesteckt.Sich nur auf den Faschismus zu fokussieren ist ein Fehler, weil es ein großes Übel ist, das heutzutage nicht einmal mehr viel Sinn ergibt (Was genau ist Faschismus nochmal?) und um dieses große Übel zu bekämpfen, handeln Antifaschistinnen in den meisten Fällen nach dem Sprichwort: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Das wiederum führt zu einer wirklich problematischen Verwirrung in der antifaschistischen Bewegung (ich rede natürlich nicht von jedemjeder Antifaschist*in, einige wissen sehr gut, wo es stinkt und mit wem sie nicht abhängen wollen). Aber es führt auch dazu, dass mensch nur ein Problem in der Gesellschaft sieht, sich nur auf eine Sache fokussiert und den Rest ausradiert.

Wie schon gesagt, will ich meine Argumente nicht nur auf reiner Theorie stützen, also werde ich ein paar Dinge benennen, die mich sagen lassen, dass es ein Problem mit Antifaschismus gibt und warum ich, nach meiner eigenen Interpretation des Anarchismus, aus dieser Szene heraus halten möchte.

Ich fand es ein bisschen witzig (Sarkasmus) vor kurzem zu sehen, wie Antifaschist*innen für Afrin mobilisieren und damit offen eine autoritäre politische Partei unterstützen (die PYD, eine Tochterorganisation der PKK und ihres obersten Führers Apo), während im November 2017, also nur ein paar Monate vorher, einige Antifa-Gruppen an einer Demonstration gegen die AFD in Hannover teilgenommen haben an der auch Mitglieder der Grauen Wölfe beteiligt waren; und im Jahr 2015 kam es auf einem Anti-Pegida Protest in Köln sogar dazu, dass Antifas an einer Kundgebung teilnahmen bei der auch Menschen aus dem Pro-Erdogan Lager mit türkischen Flaggen anwesend waren (vielleicht ist das nur in anderen passiert, ich weiß es nicht).
Im Englischen gibt es ein Sprichwort: „To run with the hare and hunt with the hounds“ (dt.: „Mit den Hasen rennen und mit den Hunden jagen“), was sehr gut auf die Art von Politik machen zutrifft… ich meine „Politik machen“, denn wenn du keinerlei Moral hast und dich nur dafür interessiert ein möglichst großes Lager gegen deinen Feind zu schaffen, nennt sich das das Spiel der Politik, wo du komplett blind und taub für die Komplexität der Welt wirst und dich nur noch darum kümmerst neue Verbündete in deinem „Superheld vs. Superschurken“-Krieg zu machen.

Ende 2017 hatte ich die Möglichkeit einen Artikel, der von ein paar Feministinnen aus Parma in Italien geschrieben wurde, zu lesen. In dem Text gibt es um eine 18 jährige Frau, welche 2010, während sie bewusstlos war, Opfer einer Gruppenvergewaltigung wurde. Diese Art von grauenvollen Geschichten passieren unglücklicherweise überall ein bisschen. Der Grund, warum ich genau von dieser Gruppenvergewaltigung erzähle ist, dass die Vergewaltiger Teil einer Antifa-Gruppe waren. Sie haben das Mädchen in den Räumlichkeiten vergewaltigt in denen sie sonst ihre Plena abhalten und sie waren sogar blöd genug das Ganze auch noch zu filmen, mit ihren Antifa-Freundinnen zu teilen und dem Mädchen einen „lustigen“ Spitznamen zu geben (das „Rauchmädchen“, weil sie sie sogar mit Rauch vergewaltigt haben Anmerkung der Redaktion: Auch wir wissen nicht, wie das genau abgelaufen ist und haben aus Rücksicht nicht nachgefragt).

Die Geschichte kam drei Jahre später an die Öffentlichkeit, nachdem das Gebäude der Casa Pound (italienische Neo-Faschisten) in Parma explodierte. Die Cops starteten Ermittlungen gegen Antifa-Gruppen in der Stadt und fanden das Video während einer Durchsuchung. Ihnen gelang es die Personalien des Mädchens herauszufinden (das die letzten drei Jahre nie darüber geredet hat und komplett allein damit war) und sie fragten sie, wer die Personen waren. Und unter der Last die sie zu tragen hatte, können wir uns wohl alle ganz gut vorstellen, dass sie die Namen, an die sie sich erinnern konnte der Polizei weitergab.

Danach fingen die Antifaschistinnen in Parma an sie zu belästigen, sie nannten sie eine Verräterin, drohten ihr auf alle möglichen Arten und versuchten sie aus der Szene zu drängen. Auf eine Art, und sie (die sie versuchten zu verdrängen) sahen nur diesen Fakt, hat sie mit den Cops zusammen gearbeitet (die ersten mit denen sie über diese schreckliche Nacht reden konnte, obwohl das Video verbreitet wurde und eine viele Leute davon wussten) und sie (die Cops) haben sich natürlich nicht gefragt, wie so etwas Schreckliches überhaupt passieren konnte. Ich meine, mit welcher Ideologie auch immer du dich identifizieren kannst, eine Person unter Drogen zu setzen um sie dann gemeinschaftlich zu vergewaltigen, sagt schon einiges über deine Sorgen um andere aus… Die Feministinnen aus Parma, die den Text zur Zeit der Gerichtsverhandlung geschrieben haben und das Mädchen gegen die Vergewaltiger unterstützt haben, zogen eine Parallele zwischen diesem Verhalten und Faschismus. Ich persönliche begrüße diesen Vergleich nicht, denn Faschismus bedeutet für mich etwas sehr spezielles und ich finde es nicht nötig das Wort „Faschist“ zu benutzen um ein Arschloch ein Arschloch zu nennen.

Aber natürlich,wenn ich wirklich sarkastisch bin, würde ich lächeln, wenn ich weiß, dass Leute, die sich Antifaschistinnen nennen, Gruppenvergewaltigungen machen… und im Fall von Parma waren es nicht nur einzelne Individuen, die davon wusste, sondern sehr vielen Antifaschistinnen war sowohl das Video als auch die komplette Geschichte bekannt. Über drei Jahre lang passierte nicht, niemand half dem Mädchen. Stattdessen wurde sie lustig gemacht über sie und das sagt schon eine Menge über den heutigen Antifaschismus aus.

Was ich auch sehr heuchlerisch an dieser Situation finde, ist, dass sie das heilige „Rede nicht mit den Cops!“ um das Mädchen zu diskreditieren… und wieder konnte ich mir das sarkastische Grinsen nicht verkneifen, denn in den vergangen Jahren habe ich in Paris erlebt, wie sich Antifaschist*innen nicht an ihre eigenen Regeln halten wenn sie Probleme mit der Justiz haben. Im Falle der Repression, die nach dem Brand eines Polizeiwagens während einer Demonstration im Jahr 2016 erfolgte, wurden mehrere Personen festgenommen.
Der Großteil von ihnen waren Antifas und genau deswegen haben die Ereignisse einen unerwarteten Weg eingeschlagen. Nur eine der verhafteten Personen, ein Anarchist, redete nicht mit den Cops, sitzt mittlerweile seit einem Jahr im Gefängnis und muss noch vier weitere absitzen. Alle anderen redeten, hauptsächlich um sich selbst den Arsch zu retten. Einige Mitglieder der AFA (eine Pariser Antifa-Gruppe) willigten ein, dass ihre Anwälte Videomaterial an die Justiz weitergab, dass sie entlasten sollte (das funktionierte übrigens nicht und auch nicht, dass sie Mama und Papa fragten mit den nationalen Medien zu reden).

Das Bild des Supermacho-Radikalen wurde damit zerkratzt, aber dann erinnere ich mit daran, dass während einer Demonstration im Jahr 2013 nach dem Tod von Clément Méric die Selbe AFA die Ordnerinnen stellte und die Demonstrierenden davon abhielt Fenster und Banken auf dem Weg zu zerstören. Ich erinnere mich auch daran, dass sich 2016 eine Gruppe, die sich definitiv nicht mit den lokalen anarchistischen und autonomen Kämpfen auskannte, dafür entschied die Fenster eines Emmäus Ladens zu beschützen (Emmäus unterstützt die Anti-Asyl Politik in Frankreich) und jeden auf eine sehr machohafte und homophobe Art bedrohte, der*die sie, zu Recht, Kollaborateure nannte.

Ich erinnere mich auch an meine Nicht-Überraschung als ich vor einem Jahr eine Dokumentation namens „Wir sind alle Vandalen“ eines nationalen französischen TV Senders sah. In dieser Dokumentation gaben Mitglieder der AFA einem Journalisten, der alle durch sein Videomaterial von Demonstrationen (Videos, die als Hauptbeweismittel im Fall des abgebrannten Polizeiwagens benutzt wurden) gefährdete, ein Interview, natürlich wurden ihre Gesichter unkenntlich gemacht. Außerdem erinnere ich mich daran, dass diese Antifa-Gruppe sich aktiv an den Pro-Palästina Demonstrationen beteiligt hat… das bedeutet, dass sie Seite an Seite mit rechten und linken Antisemiten demonstriert haben, die bei dieser Gelegenheit einen gemeinsamen Kampf finden. In den letzten drei Jahren war die „Antisemiten Galaxie“ in Frankreich sehr aktiv und während der Pro-Palästina Demonstrationen zeigten die Leute ihre Zugehörigkeit zu diesen ekligen Ideen in dem sie die „Quenelle“, das Versammlungszeichen der Antisemiten in Frankreich, machten.

Zu dieser Zeit wurden auch Menschen, die warum auch immer für jüdisch gehalten wurden, auf der Straße angegriffen. Dass die Antifa-Gruppen an den Demonstrationen teilgenommen haben, auf denen auch bekennende Antizionisten anwesend waren , ist sehr problematischen und besonders weil sie zusammen mit den Menschen demonstrierten, die der faschistischen Ideologie in Frankreich am nächsten sind.
Mein Ziel ist es nicht den Antifaschismus zu verspotten, aber ich möchte darauf hinweisen, wie konfus diese Bewegen ist (im Allgemeinen). Es sollte nicht nur eine Auseinandersetzung mit den beschriebenen Problematiken geben, sondern Anarchist*innen sollten sich auch von dieser Bewegung distanzieren. Der Anarchismus ist selbstverständlich auch gegen den Faschismus, aber eben auch gegen jede Art des Autoritarismus. Anarchismus ist außerdem etwas positives und kan nicht als etwas, was gegen etwas ist, zusammengefasst werden, so wie es beim Antifaschismus möglich ist.

Ich komme nach dem Analysieren der antifaschistischen Art Politik zu machen zu dem Schluss, dass der Feind meines Feindes nicht unbedingt mein Freund ist und, dass Sexisten, Rassisten, Religiöse und Autoritäre jeder Art schon immer naiven Anarchistinnen in den Rücken gefallen sind und es auch immer wieder tun werden. Die Geschichte des Anarchismus ist voll von unglücklichen Allianzen und Verrat um mehr Macht zu bekommen. Anarchismus bedeutetet Antifaschismus, Antirassismus, Antisexismus, aber auch noch vieles mehr. Er bedeutet die Welt in der wir leben zu reflektieren, niemandem zu vertrauen, derdie nach Macht strebt (Macht generell und Macht über nahestehende Personen, wie es Sexisten ausüben). Er bedeutet zu entscheiden wer unsere Verbündeten sind und skeptisch zu sein, wenn die Rede von jemandem nur eine ganz bestimmte Gruppe der Bevölkerung anspricht (in jeder Weise, auch wenn es “umgekehrt” oder “positiv” ist, wie es heutzutage unter den Linken beliebt geworden ist). Er bedeutet auch keine Seite zu wählen, wenn wir keinen Platz in einem Kampf haben (entscheiden zwischen Erdogan und Öcalan, zwischen Palästina und Israel, zwischen religiös und rasisstisch, etc.).

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