Es kommen Wahlen, und diesmal werden sie das Gesicht der Welt und Sachsens verändern. Zumindest ist es das, was sie im Internet schreiben, schätze ich. Aber irgendwie wiederholt sich die Erzählung. Es gab die alles oder nichts Wahlen zum Europäischen Parlament, bei denen wir nicht alles oder nichts bekommen haben und uns immer noch in dieser repräsentativen Demokratie befinden. Es gab auch Bundestagswahlen im Jahr 2017, die die Welt zu einem besseren Ort machen sollten, solange die AfD nicht an die Macht kommt?
Nun stehen die Wahlen im September an. Und sie versprechen einen großen Sieg für die AfD im Land. Nach den Umfragen vom 02.07. sind sie jetzt so groß wie die CDU und haben 26% (gegenüber den bisherigen 9,7% im Jahr 2014). Dies ist ein großer Gewinn für die Konservativen. Insgesamt werden Rechts- und Rechtskonservative (CDU, AFD, FDP) 57% Unterstützung finden, wenn die Umfragen realitätsnah sind. Bei den Wahlen 2014 hatte die CDU mit der AFD rund 50%, das für ein gewisses Wachstum der konservativen Macht gesorgt hat, wenn man außer Acht lässt, dass die NPD damals 4,9% bekam und es nicht schaffte ins Parlament einzuziehen. Auch die FDP verlor ziemlich stark. Wenn wir die Verlierer aus 2014 zusammenfassen, erhalten wir immer noch rund 57%, was von dieser Seite ausgesehen ziemlich gleich aussieht.
Ich schätze, das größte Problem, das wir heute haben, ist die Abwanderung der Stimmen von der CDU in die AfD, aber das ist auch nicht so überraschend, wenn man sich die Bewegungen der CDU ansieht, die die Konservativen bei der Behandlung der Flüchtlings- und Migrationsfragen nicht zufrieden gestellt habt. So ist am Ende des Tages auch der Wechsel zur AFD wie in den letzten Jahren nachvollziehbar, da die CDU mit ihrer nicht so strengen Migrationspolitik an ihr radikaleres Gegenstück verloren hat. Sie verlor nicht nur Wähler*innen, sondern auch einige ihrer eigenen Kandidat*innen, die von schwarz nach blau wechselten.
Strategische Wahl
Um das Problem der Stimmenwanderung von der CDU zur AFD anzugehen und eine die Regierung der AFD im Land zu verhindern, rufen verschiedene Gruppen zur strategischen Wahl auf – wähle die*den stärkste*n Kandidat*in, die*der die gegen die AFD in der Region gewinnen kann.
Das beste Beispiel für strategisches wählen in Sachsen war die Wahl des Bürgermeisters in Görlitz – Kandidat*innen aus der Linken und Grünen zogen sich tatsächlich aus dem Wahlkampf zurück und riefen dazu auf den CDU-Kandidaten in der Stadt zu wählen. Viele Gruppe,n aus verschiedenen Teilen der Linken riefen dazu auf für die CDU zu stimmen, um die AfD zu verhindern. Es wurde so absurd, das es Slogans gab wie “Antifa heisst CDU wählen”.
Sowohl die politische Kampagne als auch das Programm des CDU-Kandidaten waren in der Diskussion nicht wichtig. Die Agitation basierte nicht auf dem, was getan werden sollte, sondern auf der Verhinderung von der AfD. Ich halte das für zumindest seltsam, wenn wir uns die letzten hundert Jahre politischer Organisierung in der Gesellschaft anschauen, für die Unterstützung waren politische Ideen äusserst wichtig für die Bevölkerung.
Die CDU sollte in dieser Geschichte kein Held sein – diese Partei hat seit Generationen eine extrem konservative Politik in der BRD betrieben. Sie ist diejenigen, einen fruchtbaren Boden geschaffen hat, damit rechte Ideen wachsen und sich ausbreiten können. Jetzt beginnen sie die Kontrolle über ihr eigenes Machtspiel zu verlieren, wenn ihre konservative Politik für den Teil der Bevölkerung nicht mehr ausreicht, den sie bisher mit rechter Propaganda gefüttert haben.
Mit der heutigen strategischen Abstimmung wird der unvermeidliche Zusammenbruch der CDU oder ihre Verschiebung nach rechts nur verschoben. Es besteht eine große Chance, dass die CDU ohne Koalition mit der AfD an der Macht bleibt, sie wird die AfD in der Region werden und versuchen, die Wähler*innen für sich zu behalten.
Das Beispiel Italiens mit der Koalition zwischen Lega Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung zeigte, dass solche Koalitionen zwischen rechten Parteien recht instabil sind, da sich die Stimmen langsam auf die konservativere Seite verlagern. Wenn CDU und AfD in die Koalition gehen, ist es durchaus möglich, dass die CDU in der Region zum Tode verurteilt wird und die AfD zur neuen CDU wird.
Insgesamt wird der hohe Verlust der CDU in Sachsen eine Rolle bei ihrer Politik nicht nur in Sachsen, sondern in ganz Deutschland spielen, indem sie die Partei noch mehr nach rechts zieht, um die AfD-Wähler*innen zu gewinnen.
Wir werden noch sehen, was diese strategische Abstimmung in Görlitz bringen wird, aber es besteht wenig Hoffnung auf eine positive parlamentarische Zukunft für Sachsen. Nun, als Anarchist bin ich nicht wirklich überrascht, aber die mögliche Beteiligung der AfD an der Regierung über die Region kann möglicherweise mehr Menschen aus dem liberalen Lager aktivieren, um sich konservativen Politiken zu widersetzen. Dies kann zu einem Wachstum fortschrittlicher Ideen in der Gesellschaft führen. Der Versuch, ein Polizeigesetz der CDU-AfD-Koalition zu verabschieden, würde beispielsweise zu weitaus mehr Protest in der Region führen (zumindest glaube ich das) als der derzeitige “demokratische” Prozess, der es ermöglichte, das Gesetz mit mehrfachen Rechtsverletzungen zu verabschieden.
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Nicht nur die.Linke und die Grünen fordern eine strategische Abstimmung. Es gibt linke Gruppen, die das tun. Sogar einige Anarchist*innen glauben an strategische Abstimmungen. Mein Glaube daran ist relativ gering, nicht nur an die strategische Abstimmung, sondern auch an die repräsentative Demokratie prinzipiell. Letztendlich kümmern sich die Parlamentsmitglieder wenig darum, was die Bevölkerung denkt, denn wenn es keine Sozialagenda der Gesellschaft gibt, dann werden sie sie gestalten. Leider haben die Konservativen in Sachsen, vor allem im ländlichen Raum, ein größeres Mitspracherecht in der Gesellschaft und können deshalb sehr weit gehen und die Welt zerstören.
Um zu verhindern, dass AfD an die Macht kommt, können wir sie nicht abwählen, wir müssen ihre Macht in der Gesellschaft verhindern. Wir müssen eigene soziale Stärke aufbauen, die verhindert, dass Konservative in unsere Gemeinschaften eindringen und ihre rechte Propaganda verbreiten. Lokale Gemeinschaften sollten die Macht über die Zukunft haben und nicht Menschen, die im Glashaus an der Elbe oder in Berlin sitzen!
Micha Schuhmann
Anarchistisches Netzwerk Dresden