Die Arbeiter*innen in der JVA Chemnitz sollen nach der Logik des Staates ihre „Vergehen“ begleichen und wieder in die Gesellschaft geführt werden. Wie ist das möglich, an einem Ort voller starrer Regeln, der keine Eigenständigkeit zulässt und auf Disziplinierung abzielt? Wie ist es möglich, in einer Gesellschaft einen Platz zu finden, von der Du komplett isoliert wurdest, in der Du keine*n mehr kennst, Dich auf keine*n verlassen kannst, Du durch deinen Knastaufenthalt gerade als Frau* sozial stigmatisiert bist? In welcher Form ist es deiner Rehabilitation dienlich, dass Du weggesperrt, ausgebeutet und erniedrigt wirst?
Was: Antiknastdemo zur JVA Chemnitz
Wann: 07.03.2020 um 13Uhr
Treffpunkt: Campus Chemnitz, Reichenhainer Straße
Danach: Küche für Alle und Konzert, Subbotnik, Vetterstraße 24A
Treffpunkt zur gemeinsamen Zuganreise in Dresden: 10:45 Uhr Wiener Platz (HBF Dresden)
Zum nunmehr vierten Mal wollen wir anlässlich des internationalen Frauen*kampftages unsere Solidarität mit den Gefangenen der JVA Chemnitz ausdrücken. In unserer Gesellschaft werden Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität, ihres Aussehens, ihrer kulturellen Zugehörigkeit, ihrer gesellschaftlichen Stellung und vieler anderer Zuschreibungen diskriminiert. Diese verschiedenen Diskriminierungsformen spiegeln sich dann auch in der Belegung der Knäste wieder. So müssen beispielsweise viele arme Menschen Ersatzfreiheitsstrafen oder Strafen wegen Eigentumsdelikten absitzen. Ohne Geld wird ihnen keine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zugestanden. Das trifft auf die Frauen* in der JVA Chemnitz zu. Und auch diejenigen, die gegen die vielfältigen Formen der Unterdrückung kämpfen, sind von staatlicher Repression betroffen: So versucht der Staat uns als Widerstandsbewegung zu bekämpfen, uns klein zu machen, unseren Mut zu brechen und uns vom Rest zu isolieren. Der Knast, bzw. seine Androhung, ist dabei eines der mächtigsten Werkzeuge zur Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung.
Menschen werden je nachdem was in ihrem Pass steht den Männer- und Frauengefängnissen zugeteilt. Andere geschlechtliche Identitäten werden nicht anerkannt. Beide unterliegen bestimmten Normen und Regeln. Frauen*spezifischen Gesundheitsanforderungen wie beispielsweise in der Schwangerschaft oder während der Menstruation, wird in Haft nicht genüge getan. In der Regel gibt es auf den Mutter-Kind-Stationen viel zu wenige Plätze, um den Bedarf zu decken.
Wie in allen JVAs werden auch die Frauen* in Chemnitz unter einem Zwangsarbeitsregime zu Löhnen von ca. 1 bis 2 Euro die Stunde, ohne Sozial- und Rentenversicherungszahlungen in anstaltseigenen sowie externen Betrieben ausgebeutet. Wer nicht arbeitet, wird schlechter gestellt. In vielen Betrieben ist die Arbeitsbelastung so hoch, dass die Gesundheit der Frauen* erheblich darunter leidet. Dabei haben die inhaftierten Frauen* in Chemnitz und anderswo in ihrem Leben oft bereits Gewalterfahrungen gemacht. Denn in unserer Gesellschaft sind Frauen* leider immer noch in besonderem Maße sexualisierter, sexueller und psychischer Gewalt ausgeliefert. Der Knast isoliert Frauen*, welche vorher schon kein sicheres soziales Umfeld hatten noch mehr und treibt sie häufig zurück in die Arme gewaltvoller Partner.
Der Knast ist ein gewaltvoller Ort, der wiederum Gewalt, Diskriminierung und kriminalisiertes Verhalten reproduziert. Die Argumentation, dass Knäste Menschen einfühlsamer machen, ist in sich unschlüssig. So werden auch die in der JVA Chemnitz eingesperrten Nazis, durch den Knastaufenthalt nicht zu mitfühlenden Menschen. Der Knast ist auch kein schwarzes Loch, in welchem sie einfach verschwinden. Meist vernetzen sie sich und profitieren von den gewaltvollen und rassistischen Strukturen, welche bereits existieren. In einer Gesellschaft, welche auf gegenseitigem Respekt, solidarischem Miteinander und weniger Diskriminierung beruht, darf kein Platz für Knäste sein. Deswegen ist es wichtig, selbstorganisierte, autonome Strukturen und Netzwerke aufzubauen, in denen Betroffene von Diskriminierung und Gewalt Unterstützung finden und gemeinsam für die Verbesserung ihrer Lage kämpfen können.
Die JVA Chemnitz ist ein Ort, der patriarchale Machtverhältnisse anerkennt, durchsetzt und aufrecht erhält. Bei den Frauen* in der JVA Chemnitz verbindet sich die männliche Gewalt gegen Frauen* mit ökonomischer und gesundheitlicher Ausbeutung.
Wir fordern das Ende aller Knäste! Wir fordern eine Transformation der Gesellschaft von Strafe zu gegenseitiger Verantwortungsübernahme.
Knäste zu Baulücken.
Baulücken zu Gemeinschaftsgärten!
Kommt mit uns anlässlich des Frauen*kamptages zur JVA Chemnitz. Am besten habt ihr eure Lieblings(tier)maske im Gepäck, damit wir uns den Kameras in von unserer schönsten Seite zeigen können. Lasst uns gemeinsam solidarisch sein und die Isolation der großen grauen Mauern überwinden!
Patriarchat – Allgemeine, nahezu global verbreitete Männerdominanz und Synonym für männliche Herrschaft und Unterdrückung der Frauen*. Patriarchat wurde zu einem Sammelbegriff für Strukturen und Formen von Nachrangigkeit, Ausbeutung und direkter sowie struktureller Gewalt gegen Frauen*.
Frauen* – wir wollen damit sichtbar machen, das im Frauenknast nicht nur Menschen eingesperrt sind, die sich als Frauen identifizieren.