Was unterscheidet ein Arbeitszwangslager des letzten Jahrhunderts von einer gewöhnlichen Justizvollzugsanstalt in Deutschland heute?
Ehrlich gesagt sehr wenig. Vielleicht wird heutzutage weniger physisch geschlagen und gefoltert als damals, aber die Logik und das System der Bestrafung, Ausbeutung und Unterdrückung sind heutzutage ganz genau die gleichen wie immer schon. Warum ist die Politik der Justiz wieder um einiges härter geworden, warum landen viele Menschen für kleiner Kriminalität, Geldstrafen etc. schon im Knast oder werden viel härter für Delikte verurteilt, wofür sie noch vor 5 oder 10 Jahren viel weniger bekommen hätten oder auf Bewährung freigelassen worden wären? Warum wird wieder viel mehr von knallharter Bestrafung und dem Wegsperren gesprochen und warum werden weniger „Lockerungen“ und Reststrafenbewährungen zugestanden? Was bringt der*die Gefangene dem Staat im Knast für einen Nutzen?
Ganz einfach: super billige und ausbeutbare Arbeitskraft, ein astreiner Supergewinn für jeden Konzern, der unsere Abhängigkeit und Unterdrückung knallhart wie eine Zitrone auspressen kann. Wir als Gefangene arbeiten in deutschen Knästen sozusagen konkurrenzlos, für einen Hungerlohn, gezwungen zum Malochen um überhaupt mal aus der Zelle rauszukommen und in Gemeinschaft sein zu dürfen… und natürlich um ein wenig Geld zum Überleben im Knast zu haben.
In Strafhaft herrscht Zwangsarbeit, wer nicht arbeitet, dem werden (zumindest in Willich) die Haftunterbringungskosten vom Knastkonto abgezogen, das heißt dass mensch kein Geld zum telefonieren, Wäsche waschen, Miet-TV, Radio, CD- & DVD-Player (Eigengeräte werden hier nicht zugelassen) etc. oder zum Einkaufen hat. Zwar bekommt mensch das Knastessen „kostenlos“, aber alles weitere wie Tabak, Kaffee, Wasser, Süßigkeiten, Hygieneartikel oder auch halbwegs gesundes Essen, wie Obst oder Gemüse, kann mensch sich nur zu außerdem total überteuerten Preisen kaufen. Wer nicht arbeitet, kann gar nichts davon kriegen, denn in Deutschland ist es in Strafhaft nicht möglich Geld von draußen zu beziehen.
Zudem arbeiten wir in Haft weiter unter dem Mindestlohn, ohne
Verträge, ohne Kündigungsfristen, ohne Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall, ohne Renteneinbezahlung, da die Arbeit hier nicht als
Arbeit sondern als „Maßnahme“ angesehen wird. Wer nach Jahren
Knastarbeit entlassen wird, steht ohne alles da – vom Knast in die Armut
ausgespuckt, sich selbst überlassen und in Hoffnung sich nach eigenen
Mitteln und Fähigkeiten zu arrangieren. Resozialisierung heißt nichts
anderes als zunächst innerhalb und dann auch außerhalb der Knastmauern
sich als unterwürfiges Arbeitstier in die kapitalistische und miserable
Welt einfügen zu sollen.
So ist es auch in Willich. Teil der Knastarbeit ist zur
Aufrechterhaltung des eigenen Knastes gedacht (Putzkräfte, Küche, Garten
Hausarbeiter*innen, Bekleidung, Kammer, etc.), außerdem gibt es externe
Firmen wie z.B., Wenko, Suthor, u.v.a., die uns als fast kostenlose
Arbeitskräfte bekommen. Meistens geht es um absolut stupide
Fabrikarbeit, wie zusammenstecken, kleben, etikettieren, aufbauen, etc. …
für Arbeiten, die draußen niemand für diesen Preis machen würde, für
die sonst Menschen (oder Kinder) in Afrika oder Asien ausgebeutet werden
würden. Das Perverse ist bloß, dass das Thema Zwangsarbeit in deutschen
Knästen in der Gesellschaft niemanden interessiert, viele davon wohl
auch gar nichts wissen oder wissen wollen … oder es sogar gut heißen,
dass „Verbrecher*innen“ auch noch von Firmen und dem Staat bis ins
letzte ausgequetscht und sich an uns bereichert wird, sozusagen als
zusätzlich Entwürdigung und Bestrafung. Oder als Abschreckung, damit wir
uns demnächst bloß an die vorgesetzten Regeln der Herrschaft und der
Macht halten sollen. An uns werden Gesetzte statuiert, das ganze
Bestrafungssystem gerechtfertigt, eine lächerliche
Pseudo-„Resozialisierung“ vorgehalten, nur um uns in den übelsten
Bedingungen halten zu können, und um letztendlich das Einzige von uns
Gefangenen heraus zu pressen, wofür wir für die Gesellschaft noch wert
sind: eben unsere produktive Arbeitskraft.
Es ist schon verdammt traurig, wie wenig wir als Gefangene dagegen ausrichten, wie schwer es ist alleine gegen diese Zustände anzukämpfen, wenn der Großteil der Gefangenen diese Realität schon längst geschluckt hat oder sich auch kollektiv nicht wehren will um mögliche Lockerungen oder „Privilegien“ nicht aufs Spiel zu setzen. Dabei geht es es letztendlich um unsere Existenz, unsere Gesundheit, unsere Bedingungen und unser (Über-) Leben. Aber sicherlich ist der Kampf gegen die Zwangsarbeit im Knast auch nicht ohne eine größere Unterstützung von draußen möglich, doch auch dafür bedarf es zunächst einer größeren Organisierung und Perspektiven von uns als Hauptbetroffenen. Auch wenn es nur einzelne Gesten, kleine Risse, Sabotage oder Verweigerungen von Einzelnen in diesen miserablen Zuständen sind, zeigen sie doch, dass Widerstand möglich ist und dieser Windstoß so einiges beflügeln kann.
GEGEN DAS KNASTSYSTEM, DIE ZWANGSARBEIT UND JEGLICHE FORM VON AUSBEUTUNG, HERRSCHAFT UND UNTERDRÜCKUNG!
FREIHEIT FÜR ALLE! (A)
Lisa, August 2018
JVA Willich II
veröffentlicht im Internet auf panopticon.blogsport.eu